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Am liebsten tauche ich ganz unvoreingenommen in Spiele ein, von denen ich nicht viel mehr erfahren habe als Titel, Genre, Entwickler und vielleicht ein oder zwei erste Screenshots. So auch im Fall des neuen Werks des im Jahr 2012 gegründeten Spielestudios Red Thread Games unter Leitung von Ragnar Tørnquist. Und eben jener Name ließ mich hellhörig werden, denn als Liebhaber klassischer Adventure-Spiele ist mir dieser Name gut bekannt, zeichnete sich Tørnquist doch verantwortlich für beliebte Spiele-Klassiker wie „The Longest Journey“ – nach wie vor eines meiner liebsten Point & Click-Adventures vergangener Zeiten.

Und so stieg ich voller Vertrauen und ohne Vorwissen zur Geschichte des Spiels in das Boot von „Draugen“, ließ mich einfach treiben und machte mich auf den Weg in das kalte und wunderschöne Norwegen der 1920er Jahre.

Was ist im Dorf Graavik geschehen?
In diesem „Walking-Simulator“-Mystery-Abenteuer spielen wir den Amerikaner Edward Charles Harden und beginnen Draugen in einem hölzernem Boot mit Paddeln in unseren Händen auf dem Fjord vor einem idyllischem norwegischem Dorf namens Graavik. In diesem vermuten wir dank eines brieflichen Hinweises unsere verschwundene Schwester Elizabeth. Die Welt um uns herum wirkt malerisch, umgeben von schneebedeckten Bergen und bunten, herbstlichen Wäldern. Gemeinsam mit unserer jungen Begleitung Alice legen wir an Land an und machen uns fortan auf die Suche nach Hinweisen auf den Verbleib unserer geliebten Schwester Betty.

Wir bemerken schnell, dass wir bei unserer Suche in diesem vom Rest der Welt praktisch isoliertem Dorf wohl auf uns allein gestellt sein werden: Alle Bewohner sind verschwunden, die Häuser verlassen, die Straßen leer gefegt. Was ist hier nur geschehen?
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Draugen: Ein norwegischer Walking-Simulator
In stetigen Gesprächen mit unserer frechen und ruhelosen Begleitung Alice erkunden wir die Gegend und erfahren über Hinweise wie Briefen, Schildern, Fotos und anderen hinterlassenen Gegenständen mehr über die tragischen Geschehnisse, welche Graavik schlussendlich zu einem Geister-Dorf haben werden lassen. Über unser stets mitgeführtes Journal haben wir anhand einer Zeichnung des Dorfes jederzeit die Möglichkeit, unseren aktuellen Aufenthaltsort zu bestimmen. An festgelegten Orten darf sich Edward, von Alice gerne „Teddybär“ genannt, auf Wunsch ausruhen und Bilder der Umgebung zeichnen, die fortan jederzeit zwar aufrufbar sind, aber spielerisch keinerlei Relevanz aufweisen.

Während unserer Spaziergänge macht sich Alice häufig selbstständig und flitzt uns einfach davon. Mit einem einzigen Tastendruck ist es möglich, jederzeit nach ihr zu rufen und sie anhand eines eingeblendeten pulsierenden Kreises in unserem Blickfeld zu orten. Während der zahlreichen Unterhaltungen oder Interpretationen von gefundenen Hinweisen werden mögliche Gesprächsthemen durch einzelne Worte und zugehörigen kurzen Beschreibungen eingeblendet, aus denen wir frei wählen dürfen. Grundsätzlich erleben wir die Geschichte in „Draugen“ weniger durch Handlungen als viel mehr durch zahlreiche Texte und Unterhaltungen mit unserer Begleitung. Das Ende des Spiels erschien mir etwas „gehetzt“, hier hätte ich mir noch mehr Tiefgang für die Story gewünscht.
„Wohin gehst Du? Schau mich an!“
Und jene Begleitung ging mir während der gesamten Spielzeit leider ziemlich oft auf die Nerven. Vor allem in ruhigen Momenten, in denen ich mir die beinahe wie eine Theaterbühne wirkende, recht offen gestaltete Spielwelt anschauen und die schöne „Graavik“ von Draugen genießen wollte. Häufig bombardiert Alice den Spieler dann jedoch penetrant mit einem sich wiederholendem „Wohin gehst Du?“, was nicht nur nervt, sondern auch die Immersion bricht.
Während einiger Gespräche ist es sogar nicht erlaubt, in eine andere Richtung zu schauen – man wird mit einer vorläufigen Unterbrechung des Gespräches und frechen Bemerkungen wie „Edward! Ich rede mit Dir!“ oder „Edward, schaue mich an, wenn ich mit Dir rede!“ bestraft.
Von Kapitel zu Kapitel finden wir Hinweise über Hinweise, besuchen zuvor unzugängliche Orte aufgrund neuer Indizien erneut und bilden wie bei einem Puzzle unsere eigene Theorie darüber, was aus den Bewohnern des Dorfes und unserer geliebten Schwester wurde.
Grafische Pracht mit Mängeln
Im Bezug auf die Grafik zeigt Draugen sowohl starke als auch schwache Momente. An manchen Orten hielt ich einen Moment inne und bewunderte die schön gestaltete Landschaft, gelungene norwegische Architektur und liebevoll gestaltete Innenräume. In schwachen Momenten wirkten allerdings zum Beispiel Lichtstrahlen, die sich ihren Weg durch Äste und Blätter von Bäumen bahnten, so über die Maßen künstlich und unrealistisch, dass sie mich stellenweise aus der Stimmung des Spiels rissen und wie Grafikfehler wirkten. Am deutlichsten wurde dies bei einer Nacht-Szene des Spiels, auf die ich hier aber nicht näher eingehen möchte. Stellenweise schien es mir so, als sei die Arbeit an der grafischen Präsentation von Draugen in manchen Bereichen nicht ganz abgeschlossen oder nicht ausgebessert worden.

Manuelle Anpassung der Untertitel
An dieser Stelle außerdem ein Tipp an alle Spieler, welche das Spiel mit Untertiteln erleben möchten: Schaut Euch einmal die Einstellmöglichkeiten der Untertitel genauer an. Standardmäßig werden die Worte beider Charaktere einheitlich in Weiß und teilweise direkt untereinander dargestellt und sind während eines Gesprächs dadurch schwer auseinander zu halten. Über die Einstellungen des Spiels ist es glücklicherweise möglich, den Worten von Alice wie auch Edward manuell unterschiedliche Farben zuzuweisen, was die Verfolgung von Gesprächen deutlich erleichtert.
Mein Fazit
Mit „Draugen“ hat Entwickler Red Thread Games einen interessanten Walking-Simulator mit Mystery-Elementen veröffentlicht, der Euch in ein verlassenes norwegisches Dorf der 1920er Jahre entführt. Auch wenn mich persönlich das Spiel leider nicht „gepackt“ hat und ich die kurze Geschichte als zu vorhersehbar erachte, kann ich „Draugen“ vor allem Liebhabern story-basierter Spieletitel empfehlen.
