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Nach fast einem Jahrzehnt seit Erscheinen des letzten Thief-Titels hat Square Enix sich nun an ein Reboot der Reihe gewagt und schickt Meisterdieb Garrett erneut los, um die Reichen ihrer prunkvollen Habseligkeiten zu erleichtern. Dies verspricht herausfordernde Schleichpassagen, strategisches Vorgehen, spannende Gadgets und eine hoffentlich interessante Rahmengeschichte.
Ein Meisterdieb ohne Bewusstsein
Gleich zu Beginn wird der Spieler mitten ins Geschehen geschmissen und darf die Wohnung eines sturzbetrunkenen und quer in seinem Bett schlafenden Bewohners in aller Ruhe leer räumen. Ein besonders leises Vorgehen ist an dieser Stelle noch nicht nötig und so macht es keinerlei Unterschied, ob man leise durch die Wohnung schleicht oder laut drauf los stampfend durch die Wohnung rennt – der Bewohner schläft ungestört und laut schnarchend in seinem Bettchen weiter.

Nach einer kurzen Einführungsphase zur Steuerung treffen wir auf Berufskollegin Erin, welche durch ihre impulsive und rücksichtslose Art sofort einen reichlich unsympathischen Eindruck macht. Während eines gemeinsamen Raubzuges nach einem mysteriösen Urkraftstein geht alles schief, Garrett verliert Erin während einer dramatischen Zwischensequenz und wird daraufhin selbst bewusstlos.

Leider ließ mich diese Szene ziemlich kalt, da mir Erin durch die erst sehr kurze Spielzeit und ihren ziemlich unsympathischen Charakter schlichtweg vollkommen egal war.
Nach dem Ende des Prologs vergeht auf rätselhafte Weise ein ganzes Jahr, bevor Garrett wieder zu sich kommt. Während dieser Zeit hat sich die politische Situation der Stadt zu einer faschistischen Diktatur entwickelt und viele Menschen sind einer Seuche namens „Schwermut“ verfallen, die viele Kranke in den Selbstmord treibt. Leider verpasst es das Spiel, diesen großen Wandel ansprechend zu inszenieren oder auf erzählerische Weise logisch zu begründen. Im weiteren Spielverlauf versucht Langfinger Garrett herauszufinden, warum er für ein ganzes Jahr bewusstlos war und führt immer wieder Aufträge zu diversen Raubzügen aus.
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Ein Meisterdieb ohne Orientierung
Als Spieler bevorzugen wir fortan die Schatten, schleichen leise wie ein Kätzchen durch die Gassen der Stadt, quetschen uns durch (leider stets identisch inszenierte und von einem zur Seite zu schiebendem Balken unterbrochene) schmale Durchgänge, springen von Dach zu Dach und suchen unser nächstes Ziel. Dies erweist sich trotz einblendbarer Karte und markiertem Zielort oftmals als unnötig schwierig, da das Leveldesign schlichtweg als „grausam“ zu bezeichnen ist. So kommt es sehr häufig vor, das man verwirrt und orientierungslos durch die Stadt rennt und gar nicht weiß, wo es weitergeht.
Dies wird im späteren Spielverlauf dadurch getoppt, dass Markierungen bereits besuchter Orte schlichtweg einfach von der Karte verschwinden. Möchte man an alte Orte zurückkehren, um noch den einen oder anderen Diebstahl nachzuholen, darf man erneut durch die gesamte Stadt rennen und hoffen, das man den Eingang zum gewünschten Ziel irgendwo wiederfindet. Hier wäre es sehr sinnvoll gewesen, bereits besuchte Orte entsprechend zu markieren und dem Spieler die Möglichkeit zu geben, per Schnellreise an diese Orte zurückzukehren.

„Thief“ möchte wie ein nicht-lineares Spiel in einer offenen Spielwelt wirken, schafft es dabei aber keineswegs, dieses Ziel zu erfüllen. Ständig unterbrechen nervige Ladebildschirme beim Wechsel von Stadtbezirken den Spielfluss. Möchte man an einen Ort eines vergangenen Kapitels zurückkehren, um beispielsweise einen vergessenen Tresor zu plündern, so darf man das entsprechende Kapitel noch einmal komplett von Anfang beginnen. Zwar wird dadurch der aktuelle Spielstand nicht beeinflusst und man kann das wiederholte Kapitel jederzeit abbrechen, doch verstehe ich unter einer in sich konsistenten, logischen und offenen Spielwelt etwas völlig Anderes.
Ein Meisterdieb mit starker Konkurrenz
Sowohl das Spielprinzip als auch die düstere und steampunk-orientierte Optik von „Thief“ hat mich sofort an ein Spiel erinnert, welches mich seinerzeit sehr beeindruckte und für viele Stunden abwechslungsreichen Spielspaß sorgte: „Dishonored“. Auch hier stand das Schleichen und strategische Vorgehen deutlich im Mittelpunkt, wenngleich es auch keine Pflicht für diese Spielweise gab – der Spieler hatte stets die Wahl, offensiv und mit Gewalt vorzugehen oder zu schleichen und etwaige Opfer möglichst zu vermeiden. Ich hätte mir gewünscht, dass „Thief“ eine solch dichte Atmosphäre und in sich stimmige, abwechslungsreiche und mitreißende Spielmechanik ebenfalls bietet, doch leider war dies nicht der Fall.

Ein Meisterdieb mit 30 Bildern pro Sekunde
„Thief“ läuft auf der Playstation 4 mit einer nativen Auflösung von 1080p bei mittelmäßigen 30 Bildern pro Sekunde. Der beeindruckende grafische Leckerbissen „Tomb Raider: Definitive Edition“ für die Playstation 4 rennt im Vergleich bei 1080p mit einer doppelten Bildrate von vorbildlichen 60 Bildern pro Sekunde und sieht dabei meiner Meinung nach im Bezug auf den Detailgrad der Szenerien und der Charaktere sogar besser aus.

Der erste grafische Eindruck von „Thief“ war trotzdem vor allem im Bezug auf die atmosphärisch umgesetzten Orte des Titels durchaus positiv. So schleichen wir uns durch eine Fabrik zur industriellen Vernichtung von Opfern der „Schwermut“-Seuche, besuchen ein Edelbordell mit allerlei perversen Gästen oder machen einen Abstecher in eine Irrenanstalt.
Die Mimiken von Garrett oder anderer Charaktere im Spiel wirken auf mich ziemlich starr und unzureichend animiert – sogar in vorgerenderten Zwischensequenzen. Spiele wie „Beyond: Two Souls„, „The Last of Us“ oder „Heavy Rain“ zeigten uns bereits auf beeindruckende Weise, was inzwischen möglich ist. Hier hätte ich mir von den Entwicklern von „Thief“ eine ähnliche Liebe zum Detail gewünscht.

Apropos Details: Bewegt man Garrett im Spiel direkt vor einen Spiegel, so schaut man schlichtweg ins Leere. Der Meisterdieb versteckt sich wahrscheinlich so gut, dass selbst sein Spiegelbild unsichtbar bleibt – oder bei Garrett handelt sich in Wahrheit um einen leibhaftigen Vampir, was rein optisch gar nicht so abwegig erscheint.
Bei der deutschen Synchronisation von „Thief“ wurde leider ebenfalls viel Potential vergeudet. Zwar spendet der Synchronsprecher von Benedict Cumberbatch dem Meisterdieb Garrett seine charakteristische tiefe Stimme, doch murmeln Wachen und Bewohner der Stadt unentwegt sich wiederholende Sätze vor sich her, was mit der Zeit unglaublich nervt. Leider kam es im Spielverlauf außerdem sehr häufig vor, dass gesprochene Sätze nicht lippensynchron wiedergegeben wurden.
Mein Fazit: Ein Meisterdieb mit verschenktem Potential
Im Gegensatz zu „Dishonored“ konnte mich das neue „Thief“ für die Playstation 4 leider zu keinem Zeitpunkt überzeugen und mitreißen. Ich liebe das Spielprinzip des strategischen Schleichens und vorsichtigen Vorgehens, doch obwohl „Thief“ in diesem Gebiet als Vorbild einer solchen Spielmechanik gelten sollte, schaffte es das Spiel nicht, sein Potential auszuspielen. Während der gesamten Spielzeit hatte ich unentwegt das Gefühl, als würde etwas fehlen – sei es der letzte Schliff bei der grafischen Präsentation, ein klareres und weniger lineares Leveldesign mit weniger Ladebildschirmen, mehr erzählerische Tiefe, mehr Leben und Bewohner in der Stadt, spielerische Variationen beim Öffnen von Schlössern, Fenstern, Türen und Safes und vieles mehr.
„Thief“ hätte so viel mehr sein können, doch leider hatte ich schlussendlich das Gefühl, als habe mich ein Meisterdieb meines Spielspaßes beraubt.
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- Screenshots: Square Enix